Wenn von DER Botschaft von Fatima die Rede ist, dann mag dies leicht irritieren, denn sind nicht die Muttergottes und der Engel des Frieden mehrfach erschienen und haben dabei viele Dinge gesagt und den drei Hirtenkindern manches gezeigt?
Wenn nun aber von der Botschaft von Fatima die Rede sein soll und nicht vielen Botschaften, dann ist es notwendig einer solchen Synthese einige Gedanken voranzustellen, die den Kontext der Erscheinungen und das dabei gesagte und gesehene beleuchten sollen.
Beginnen wir mit einem Zitat aus dem «Kommentar zum dritten Geheimnis von Fatima» herausgegeben 1993 von der damaligen Kongregation für die Glaubenslehre und ihrem Präfekten Joseph Kardinal Ratzinger, dem Späteren Papst Benedikt XVI.:
Die «innere Schau» nicht Fantasie, sondern eine wirkliche und eigentliche Weise der Wahrnehmung, sagten wir. Aber sie bringt auch Einschränkungen mit sich. Schon bei der äußeren Schau ist immer auch der subjektive Faktor beteiligt: Wir sehen nie das reine Objekt, sondern es kommt zu uns durch den Filter unserer Sinne, die einen Übersetzungsvorgang zu leisten haben. Das ist bei der Schau von innen noch deutlicher, vor allem dann, wenn es sich um Wirklichkeiten handelt, die an sich unseren Horizont überschreiten. Das Subjekt, der Schauende, wird noch stärker in Anspruch genommen. Er sieht mit seinen Möglichkeiten, mit den für ihn zugänglichen Weisen des Vorstellens und Erkennens. In der inneren Schau liegt noch weit mehr als in der äußeren ein Übersetzungsvorgang vor, so dass das Subjekt an der Bildwerdung dessen, was sich zeigt, wesentlich mitbeteiligt ist. Das Bild kann nur nach seinen Maßen und seinen Möglichkeiten ankommen. Deswegen sind solche Schauungen nie die reine «Fotografie» des Jenseits, sondern sie tragen auch die Möglichkeiten und Grenzen des wahrnehmenden Subjekts an sich.
Wenn wir uns nun vor Augen führen, dass die Schauenden und Hörenden dieser Erscheinung drei Hirtenkinder im Portugal des Jahres 1917 sind, dann haben wir es mit sehr spezifischen «Möglichkeiten, mit den für ihn zugänglichen Weisen des Vorstellens und Erkennens» zu tun, denen ein sehr nuancierter sog. Übersetzungsvorgang zugrunde liegt, der wiederum die Beteiligung des Seherkinder und deren «Massen und Möglichkeiten» als eine wichtige Komponente beim Verstehen dieser Erscheinungen ausweist.
Das längliche Portugal des frühen 20. Jahrhunderts war geprägt vom 1. Weltkrieg der gerade in vollem Gange war und wo auch portugiesische Männer kämpften und ihr Leben verloren. Gleichzeitig befand sich eine militant atheistische Ideologie auf dem Vormarsch, die bereits zur russischen Revolution geführt hat und auch in Portugal, wie auch in Spanien Fuss zu fassen begann.
In einer solchen Gesellschaft waren gläubige Christen einer Verfolgung ausgesetzt und vor allem Frauen waren die leidtragenden, da sie oftmals in einem Haushalt den Glaubensschatz hüteten.
In einem solchen Milieu, das durch eine gewisse Bildungsferne und gleichzeitig durch sehr schwierige Zeiten voller Angst und Armut gekennzeichnet war entsteht zwangsläufig ein dezidiertes Welt- und Menschenbild welches auch bei den drei Seherkindern in gerade eine kindlichen Weise vorhanden gewesen sein dürfte. Duch den Filter dieses Welt- und Menschenbildes hindurch sind dann die Nachrichten der Erscheinung überliefert.
Was nun aber können wir in einem gewissen allgemeineren Sinn unter DER Botschaft von Fatima heute verstehen, wenn wir versuchen hinter diesen Filter, oder Spiegel zu blicken, durch den diese Erscheinungen uns überliefert sind.
Auf hier können wir wiederum aus dem bereits zitierten Text ein weiteres Zitat nehmen, das uns vielleicht eine Ahnung zu vermitteln vermag, worum es bei dieser Botschaft gehen könnte:
“Mein Unbeflecktes Herz wird siegen” Was heißt das? Das für Gott geöffnete, durch das Hinschauen auf Gott rein gewordene Herz ist stärker als Gewehre und Waffen aller Art. Das «Fiat» Mariens, das Wort ihres Herzens, hat die Weltgeschichte gewendet, weil es den Retter eingelassen hat in diese Welt, weil im Raum dieses Ja Gott Mensch werden konnte und es nun ewig bleibt. Das Böse hat Macht in der Welt, wir sehen es und erfahren es immer wieder; es hat Macht, weil unsere Freiheit sich immer wieder von Gott abdrängen lässt. Aber seit Gott selbst ein menschliches Herz hat und so die Freiheit des Menschen ins Gute hinein, auf Gott zu, gewendet hat, hat die Freiheit zum Bösen nicht mehr das letzte Wort. Seitdem gilt: «In der Welt werdet ihr Drangsal haben, aber seid nur getrost, ich habe die Welt überwunden.» (Joh 16,33). Dieser Verheißung uns anzuvertrauen, lädt uns die Botschaft von Fatima ein.
Die Botschaft von Fatima liesse sich also zusammenfassend wie folgt formulieren:
Der Sieg des Unbefleckten Herzens liegt beim «Fiat» Mariens, wodurch Gott Mensch werden konnte. Indem Gott nun ein menschliches Herz hat, hat er die Freiheit des Menschen endgültig ins Gute gewendet und der Freiheit zum Bösen das letzte Wort abgesprochen.
In diesem Sinne kann uns DIE Botschaft von Fatima mit ihren Erscheinungen gerade heute in einer Zeit, die geprägt ist von grosser sozialer Ungerechtigkeit, der Gefahr von Krieg und dem erneuten Aufkommen von menschenverachtenden Ideologien, helfen, wieder neu Hoffnung zu schöpfen und mit erneuertem Mut in der Welt das Evangelium in Tat und Wort zu leben und zu verkünden.
